Am Ostermontag fehlte plötzlich unser Kreuz im Gebetsraum unserer Kirche. Hat es ein neues Zuhause gefunden, wird es wieder auftauchen, oder wurde es entsorgt? Ich weiss es nicht. Zuerst dachte ich: Ist ja nicht so wild, ich bin Zimmermann, ein Stück Holz habe ich schnell ersetzt. Aber dann fragte ich mich, ob Gott uns damit etwas sagen möchte.
Wir haben uns so sehr an das Kreuz gewöhnt, dass wir leicht vergessen können, wie provokant es ist. Vor Jahren wurde ich mal gefragt: "Wenn Jesus enthauptet worden wäre, würden wir dann eine kleine silberne Axt um unseren Hals hängen?" Mit dem Kreuz rufen wir einander zu: "Du bist nicht gut, so wie du bist! Du hast, so wie ich, die Todesstrafe verdient." Wer ans Kreuz glaubt, kann unmöglich glauben, dass er besser wäre als die offensichtlichen Sünder um uns herum. Aber das Kreuz ist auch die grösste Liebeserklärung: „Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde“ (Joh 15,13). Das kann uns niemand nehmen. Ein hölzernes Kreuz kann verschwinden, verbrennen, vermodern, aber der Gekreuzigte lebt ewig. Ich werde das Kreuz nicht sofort ersetzen. Möge uns die sichtbare Lücke daran erinnern, „dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn“ (Röm 8,38f)