Benjamin Coulter
21.03.2019

Kann ich zu dir hoch kommen?

GartenhausIch strich die Ziegelleisten* vom Gartenhaus. Dafür stieg ich aufs Dach, bewaffnet mit Pinsel und Farbkübel. Meine Schwester kam raus, um zu sehen, was ich mache. Nicht gerade vorbildlich, wie ich mich über die Dachkante lehnte ganz ohne Sicherheitsvorrichtung. Sie ist nicht meine leibliche Schwester aber ich fühle mich mit ihr stark verbunden und zu der Zeit wohnten wir beide bei meinen Eltern. Sie kam nicht heraus um mich zu schelten, wollte mir einfach etwas Gesellschaft leisten, was ich sehr schätzte. Sie fragte mich, ob sie zu mir aufs Dach kommen kann und ich sagte „Ja“ als hätte sie mich um Erlaubnis gebeten. Aber sie brauchte meine Erlaubnis nicht, sie brauchte meine Bestätigung. Sie stand noch nie auf einem Dach. Ich bin Zimmermann und liebe es auf den Dächern zu gehen und die Aussicht über andere Häusern hinweg zu geniessen. Sie wusste nicht, ob sie das kann. Ich wusste, was es dazu braucht und traute es ihr zu. So half ich ihr aufs Dach und erklärte ihr, dass sie aufrecht stehen soll. Sie stand auf und war erstaunt wie leicht sie auf den Ziegeln, wie auf einer Treppe, hochlaufen konnte. Oben am First angekommen blieb sie sitzen, hielt mir den Farbkübel und ich freute mich, mich mit ihr unterhalten zu können.
Wieder herunter zukommen – ohne herunter zufallen – erwies sich als wesentlich schwieriger, aber mit meiner Hilfe schaffte sie auch das gefahrlos. Später erzählte sie mir, dass ihr dieses kleine Abenteuer zur geistlichen Lehre wurde. Wenn sie sich selbst gefragt hätte, ob sie auf dem steilen Dach gehen könnte, hätte sie es kaum gewagt aber sie fragte mich, sie glaubte mir und erfuhr, dass sie mehr kann, als sie sich selbst zugetraut hätte. Auch hörte sie auf meine Anweisung besser aufrecht zu stehen, entgegen dem natürlichen Instinkt niederzukauern. Dadurch wird die Angriffsfläche der Fusssole verringert, das Gleichgewicht gestört und die Wahrscheinlichkeit runterzupurzeln massiv erhöht. Das alles wusste sie nicht, oder war ihr zumindest nicht bewusst, aber sie vertraute mir und stand deshalb sicher.

Ist es nicht genauso mit Gott?
Wenn du Gott fragst „Kann ich zu dir kommen?“ führt er dich womöglich an Orte, die du dir niemals zugetraut hättest. Mit Gott unterwegs zu sein kann auch ganz schön gefährlich werden. Aber wenn Gott dir sagt „Ja das kannst du!“ brauchst du keine Angst vor Versagen zu haben.
Und wenn du dich an seine Anweisungen hältst, wirst du trotz Gefahren sicher stehen.

*Abschluss vom Vordach in der Dachschräge gleich unter den Ziegeln.